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IV. Geschichte

49. Welches Zweikampfsystem kann als Urbild des JUDO angesehen werden?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Als Urbild des JUDO (KODOKAN-JUDO) kann das traditionelle JU-JITSU des alten Japans betrachtet werden. Auf der Basis des JU-JITSU entwickelte sich durch Überprüfung, Verfeinerung und Systematisierung, sowie durch Einbeziehung eines ethi-schen Prinzips, das JUDO des Jigorô KANO.


50. Welche Theorien bestehen über den Ursprung des JU-JITSU?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„NIHONGI“;
„Einführung in das Studium der japanischen Geschichte“,
„Canon of JUDO“ von Kyuzo MIFUNE (10. Dan), u.a.

A) EINE BODENSTÄNDIGE ENTWICKLUNG ALS KRIEGSKUNST:

Diese Theorie stützt sich auf die Chronik Japans, der „NIHON-SHOKI“ (auch NIHONGI genannt). Diese Chronik ist ein Dokument, das auf kaiserlichen Befehl im Jahre 720 n.Chr. niedergeschrieben wurde. Darin ist ein Bericht enthalten, über ein Turnier mit Namen „CHIKARA-KURABE“ (was soviel wie – „Kämpfe der Starken“, oder „Wettkampf der Kräfte“ – bedeutet). Da dieses Turnier im 7. Jahr der Regierung des Kaisers SUININ stattfand, heißt, dass der Austragungszeitpunkt das Jahr 23 v.Chr. war.
Nicht zu klären ist, ob bei diesem Turnier der Grundstein zur Entwicklung des JU-JITSU, oder des SUMO (japanischer Ringkampf) gelegt wurde. Wichtig an der Feststellung dieses Ereignisses ist hauptsächlich, dass hier ein authentisches Zeugnis über ein waffenloses Kampfsystem aus recht ferner Zeit vorliegt, wenn auch der Entwicklungsstand noch nicht sehr ausgeprägt war.

B) ÜBER DEN CHINESEN CHEN YUAN PING:

Nach dem „KOKUSHOJI-Dokument“ um 1627, nach anderen Überlieferungen etwa zwischen 1644 und 1647, lebte im Stadtteil ASAKUSA von TOKYO, damals EDO genannt, ein Chinese namens CHEN YUAN PING. Dieser erzählte drei RONIN, das sind herrenlose SAMURAI, von einer in China gebräuchlichen Kunst, die es einem gestattet, ohne Waffen, andere Personen, egal ob bewaffnet oder unbewaffnet, zu überwältigen. Er beschrieb diese Fertigkeit so ausführlich und genau, dass diese drei Männer namens FUKUEO, ISOME und MINRA begannen, dieses System auszuüben und weiter zu verbreiten. Sie nannten dieses waffenlose Kampfsystem JU-JITSU und da die Bestimmtheit ihrer Daten offensichtlich war, gab es lange Zeit hindurch keinen Zweifel an ihrer Echtheit.

ANMERKUNG:

Nach anderen Überlieferungen wird CHEN YUAN PING auch CHUN YUAN YUN oder CH’EN YÜAN YÜN (chin.) geschrie-ben und „TSINGENBIN SHIN GEN IN“ oder nur „SHIN GEN-IN“ (jap.) genannt. Ebenso wird er TSIN GEMBIN geschrieben. Die drei RONIN, welche in diese Kunst eingeweiht wurden, heißen im Buch „JUDO – Waffe und Sport“ von Prof. Franz NIMFÜHR aus dem Jahre 1956 Shichirôemon FUKUNO, Yojiemon MIURA und Jirôsaemon ISOGAI. Bei Kyuzo MIFUNE „Canon of JUDO“, ebenfalls von 1956, heißen sie Hichirouemon FUKUNO, Iirozaemon ISOMI und Yojiuemon MIURA.

c) DIE LEGENDE ÜBER DEN ARZT AKIYAMA SHIROBEI YOSHITOKI:

Dieser Theorie liegt eigentlich nur eine Legende zugrunde. Es handelt sich dabei um einen Mann, der lange Zeit in China studierte und Meister der Selbstverteidigungskunst gewesen sein soll. Ihm wird es zugeschrieben, durch seine aufmerk-same Beobachtung der Natur, das Prinzip erkannt und den Namen für diese Kunst geschaffen zu haben. AKIYAMA SHIROBEI YOSHITOKI beobachtete, wie im Winter nach einem sehr starken Schneefall, in seinem Garten, die Äste des Kirschbaumes unter der Last der Schneemassen brachen, während die Äste der daneben stehenden Weide sich so lange herunterbogen, bis der Schnee den Halt verlor und abglitt, sich aber dann rasch wieder aufrichteten. Er gab, das Verhalten der Weidenzweige nachahmend, seiner Fertigkeit den Namen JU-JITSU, die auf dem Nachgeben basierende Kunst.

ANMERKUNG:

Eigentlich ist die Erzählung über den Arzt AKIYOAMA SHIROBEI YOSHITOKI die Gründungslegende der YOSHIN-RYU (der Weidenherzschule), deren Aufzeichnungen bis in das Jahr 1690 zurückreichen. Eine anderen Überlieferung erzählt vom chinesischen Jüngling LI-TEI-FENG, der bei einem großen Sturm am Jangtse-kiang voller Entsetzen beobachtete, wie die dicksten Bäume entwurzelt und die stärksten Äste geknickt wurden. Nur ein kleines Bäumchen, eine Palme, wurde verschont. Es bog bescheiden seinen Wipfel bis hinunter zur Erde. Doch als der Sturm aufhörte, sein Unwesen zu treiben, richtete es sich wieder auf und stand unbeschädigt da wie zuvor. Hiernach entstand die Legende von der Entstehung des Prinzips des JU-JITSU und JUDO. (Aus dem Buch „JUDO-Fachwort-Lexikon“ von Herbert VELTE.)


51. Was kann als das Wesen des JUDO angesehen werden?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Ideen aus der chinesischen Philosophie „das Weiche gewinnt über das Steife“ oder „Siegen durch Nachgeben“ können als das Wesen des JUDO bezeichnet werden. Diese Ideen spiegeln sich auch in der Bedeutung des Wortes „JUDO“ wieder.

JU“ bedeutet wörtlich übersetzt „sanft, bzw. nach- oder weggebend“. In der Urform des JUDO, dem JU-JITSU, war die Bedeutung von „JU“ folgendermaßen umschrieben:

Angenommen, man verfügte über mehr Kraft als ein Gegner, so wäre es möglich, ihn zurückzustoßen oder zurückzuziehen. Aber selbst bei einem Kräfteüberhang wäre es doch besser, dem Gegner nachzugeben. Damit wäre es möglich, die eigene Kraft mit dem größten Nutzen einzusetzen und dabei die gesamte Kraft des Gegners zu binden.

Jigorô KANO gebrauchte folgendes Gleichnis für die Erklärung des Begriffes „JU“: „Nehmen wir an, die Kraft eines Menschen, der uns gegenüber steht, betrage 10 Einheiten, während die eigene dagegen nur 7 Einheiten beträgt. Wenn mich nun der Gegner zieht oder schiebt, ist es klar, dass er mich zurückzieht oder niederdrückt, selbst wenn ich alle meine Kräfte gegen ihn einsetze. Bei der Gegenüberstellung Kraft gegen Kraft muss ich unterliegen. Wenn ich aber anstatt direkt Widerstand zu leisten der Bewegung des Gegners so weit folge, wie diese Angriffsbewegung reicht, dabei mein Gleichgewicht erhalte, so findet die Kraft des Gegners keinen Widerstand und er verliert das Gleichgewicht.“

Das heißt, wenn die Kraft des Angreifers keinen Widerstand vorfindet, ist damit eine Gleichgewichtsschwächung verbunden. Da aber der volle Einsatz der physischen Kraft nur bei vorhandenem Gleichgewicht möglich ist, bedeutet der Gleichgewichtsverlust eine Verminderung der effektiv nutzbaren Stärke. Die Kraft des Angreifers wird also vermindert, sodass der Verteidiger, der über sein volles Kraftpotential verfügt, diesem nun überlegen ist und nicht einmal seiner vollen Kraft zur Überwindung des Angriffes bedarf.

Obwohl umfangreiche Texte antiken Ursprungs nur als handgeschriebene Kopien vorliegen und daher ihr authentischer Wert zweifelhaft erscheinen mag, kann man aus dem vorhandenen Material doch mit Sicherheit feststellen, dass JU-JITSU in der zweiten Hälfte des 16. Jh. n.Chr. systematische Formen annahm. In dieser Zeit, vom 17. bis zum 19. Jh., entstanden dann auch zahlreiche Schulen, von denen um die Mitte des 19. Jh. noch etwa zwanzig davon tätig waren.

Die Doktrin all dieser Schulen lautete, wie man auch in den Texten der Schulen übereinstimmend feststellen kann, „das Weiche gewinnt über das Steife.“ Das Prinzip des „Siegens durch Nachgeben“ beinhaltet Auszüge der chinesischen Philosophie, aus den Lehren des LAO-TSE, oder aus dem Buch I-CHING (auch I-GING geschrieben; „Das Buch der Wandlungen“).


52. Welche Namen bzw. Bezeichnungen wurden im Altertum für dieses Kampfsystem verwendet?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„China und Japan – Die Kulturen Ostasiens“.

Erstmals wird das Wort „YAWARA“ in der japanischen Literatur kurz nach 1000 n.Chr. erwähnt. Es handelt sich um ein Buch aus den KONJAKU-MONOGATARI (Neue und alte Erzählungen oder „Geschichten, die schon lange her sind“; dieses Werk stellt mit seinen 1040 Erzählungen die umfangreichste Geschichtensammlung der japanischen Literatur dar), die in der zweiten Hälfte des 11. Jh. niedergeschrieben wurden. Obwohl das einen weiteren Nachweis für eine bodenständige Entwicklung darstellt, geht aus dieser zitierten Textstelle nicht hervor, wie sehr das hier beschriebene Ringen mit dem JU-JITSU verwandt war.

Die Silbe „JU“ (柔), die in JUDO oder JU-JITSU verwendet wird, ist lediglich ein chinesisches Schriftzeichen, das für phonetische Zwecke verwendet wird (ATE-JI). Sinojapanisch wird „JU“ (柔) „YAWARA“ (柔) gelesen. Und YAWARA ist die alte Bezeichnung für die verschiedensten Stile der „leeren Hand“, als auch für JU-JITSU. (Aus „JUDO by the KODOKAN“ von Nunoi SHOBO).

In alten Aufzeichnungen wie dem „JUDO HIGAKU-SHO“ (wichtige Aufzeichnungen über das JUDO) aus dem 16. Jahrhundert und dem „HONCHO-BUEGEI-SHODEN“ (Geschichte der militärischen Künste Japans) aus dem 18. Jahrhundert, werden neben der Bezeichnung JU-JUTSU solche Namen wie KOKUSOKU, TAI-JUTSU, TAI-DO, WA-JUTSU für die Kampfkunst erwähnt. Der gebräuchlichste Name war aber YAWARA (柔).


53. Ist JU-JITSU mit Sicherheit in Japan entstanden?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Über die Entwicklung des JU-JITSU besteht auch heute noch keine eindeutig klare Vorstellung. Der Ursprung verliert sich in der Unbestimmtheit der Antike, wobei man der Ansicht sein kann, dass die Japaner dann, wenn sie von anderen Kulturen etwas übernommen haben, in der ersten Anpassungsphase die Übernahme gerne verschleiern, um es zu einem späteren Zeitpunkt als Akt der Eigenschöpfung zu präsentieren.

Bei der Verfolgung der Entwicklung derartiger Kampfkünste führen Spuren immer wieder nach China, ja sogar nach Indien.


54. Welcher Personenkreis befasste sich in Japan zuerst mit JU-JITSU?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Vor dem Aufkommen der Feuerwaffen in Japan, wurden bei der Ausübung des Kriegshandwerkes seit den frühesten Anfängen Pfeil und Bogen für den Kampf auf Distanz verwendet. Im Nahkampf wurden Schwerter und der Speer (NAGINATA, YARI) benutzt. Es kam aber auch gelegentlich vor, dass man gezwungen war, mit bloßen Händen zu kämpfen. Diese als KUMI-UCHI bezeichnete und als höhere Technik angesehene Kampfweise förderte sehr die Entwicklung des JU-JITSU.

Jahrhunderte lang gebrauchten die japanischen Krieger (SAMURAI bzw. BUSHI) zwei Schwerter – ein kurzes (WAKIZASHI) und ein langes (KATANA oder NIHONTO). Bedingt durch die Gefährlichkeit dieser Waffen, sahen sich die Behörden immer wieder gezwungen, das Tragen der Waffen zu beschränken. Der Endzustand dieser Beschränkung bildete das im 4. Regierungsjahr des Kaisers MEIJI erlassene Verbot des Tragens von Schwertern. Aber schon vorher, besonders in der TOKUGAWA-Periode (1600 – 1868) war das Tragen des langen Schwertes (KATANA) vor hohen Persönlichkeiten verboten, am Hof des SHÔGUN war es sogar tabu. Lediglich Wachmänner, niedrige Beamte und Gefangenenwärter durften das Kurzschwert (WAKIZASHI) tragen.

Dieser letztgenannte Personenkreis entwickelte daher seine eigene „Kunst“ sowohl des Angriffes, als auch der Verteidigung ohne Waffen. Besonders die Gefängniswärter wandten eine besondere Kunst der Selbstverteidigung an, um Häftlinge kontrollieren zu können, ohne sie verletzen oder töten zu müssen.

In der Feudalzeit, also in den Jahrhunderten vor der MEIJI-Periode (1868 – 1912), wurde streng auf die Klassenunterschiede zwischen den Kriegern und den gemeinen Bürgern geachtet. Da es den Bürgern im Allgemeinen verboten war Waffen zu tragen, sie sich aber vor den Übergriffen randalierender Krieger schützen mussten, entwickelten sie daher für ihre Selbstverteidigung „die Kunst des waffenlosen Kampfes.“


55. Wann wurde Jigorô KANO geboren und wann starb er?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO by the KODOKAN“;
„KODOKAN JUDO“;
„JUDO-Fachwort-Lexikon“.

Am 28. Oktober 1860 wurde der Familie Jirosaku Mareshiba KANO in der Hafenstadt MIKAGE bei KOBE in der Provinz HYOGO, als letzter von drei Söhnen, Jigorô KANO geboren.

Exzellenz Prof. Jigorô KANO starb am 4. Mai 1938 auf der Heimreise von Ägypten nach Japan an einer Lungenentzündung an Bord des Schiffes „HIKAWA-MARU“. KANO hatte in Kairo an einer Sitzung des IOC teilgenommen, in der beschlossen wurde, die 12. Olympischen Spiele an TOKYO zu vergeben.

ANMERKUNG:

Nach alter japanischer Tradition erhielt Jigorô KANO bei seiner Geburt den Kindheitsnamen SHINNOSUKE (aus „KODOKAN JUDO“ von Jigorô KANO aus dem Jahre 1986). Sein Vater hieß ursprünglich Mareshiba SHOGENJI und nahm durch Heirat und Adoption den Familiennahmen KANO an. KANO heißt so viel wie „Erzeuger von herrlichem Sake“ (siehe „THE WAY OF JUDO – A Portrait of Jigoro Kano & His Students“).

Auf Wikipedia wird als Geburtsdatum von KANO der 10. Dezember 1860 angeführt. Es wird jedoch auch vermerkt, dass dieses Datum dem 28. Tag des 10. Monats der Ära Man’en (April 1860 bis März 1861) entspricht. Der Kodokan gibt daher den 28. Oktober 1860 als Geburtsdatum von KANO an.


56. Wann und wo gründete Jigorô KANO sein erstes DOJO?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO by the KODOKAN“;
„KODOKAN JUDO“;
JAPAN-MAGAZIN“ – August 1990;
„JUDO-Fachwort-Lexikon“.

Nach Beendigung seiner Universitätsstudien betätigte sich Jigorô KANO vorerst als Erzieher. Er erhielt die Stelle eines Lektors an der GAKUSHUIN (Schule für Adelige) für die Fächer Politik und Wirtschaft. Aber bereits kurze Zeit nach seiner Anstellung begann er mit der Realisierung seines wahren Lebenszieles, der Gründung einer eigenen Sportanstalt.

Heute ein Seiteneingang, damals der Haupteingang des Tempel Eisho-ji in Tokyo.

Im Mai des Jahres 1882 gründete er im Stadtteil SHITAYA(-KITA-INARI-CHO) im Bezirk TAITO-KU von TOKYO im Tempel EISHO(-JI) sein erstes DOJO. KANO begann bereits am 25. Februar den größten der vier Räume des Tempels für seine Zwecke umzugestalten und mit 12 Matten auszulegen. An die Eingangstüre schrieb er drei kleine, noch unbedeutende Zeichen, nämlich: „KO-DO-KAN“ (KO  = Vorlesung, Studium, DO  = Weg, Grundsatz, philosophisches Prinzip, KAN  = Halle, Schule; man kann daher „KODOKAN“ mit „Die Halle (Schule) für das Studium des Weges“ übersetzen).

ANMERKUNG:

Jigorô KANO wurde auch später zum Professor der GAKUSHUIN und 1886 zum Vizedirektor (stellvertretender Leiter) dieser Schule ernannt (aus „KODOKAN JUDO“ von Jigorô KANO). Diese Funktion legte er 1889 zurück, als er zum Mitglied des Kaiserlichen Haushaltsministeriums (Imperial Household Department) wurde.

Die Bezeichnung „Kôdôkan“ für eine Kampfschule ist keine Erfindung von KANO, sondern dürfte in einigen Provinzen Japans durchaus üblich gewesen sein. Der Samurai-Clan der Saga in der gleichnamigen Provinz, das sogenannte Saga-Reich oder Provinz Hizen, das vom Daimyo Nabeshima Mitsushige (1632-1700) regiert wurde, nannte seine Lehensschule ebenfalls „Kôdôkan“. In dieser Lehensschule wurden die jungen Saga-Krieger ausgebildet. Vgl. dazu die Einführung zur deutschen Übersetzung des Buches „HAGAKURE“ von Matthias SCHULZ, 2014, S. 13-15.


57. Welche beiden Prinzipien wurden als erstes erarbeitet, definiert und bilden noch heute die Grundlagen des KODOKAN-JUDO?

ANTWORT:

„JUDO by the KODOKAN“;
„KODOKAN JUDO“;

Die beiden ersten Wahlsprüche von Jigoro Kano: Sei ryoku zen yo (links), Jita kyoei (rechts).

Das KODOKAN-JUDO entstand im 15. Jahr der Regierung des Kaisers MEIJI (1882). Allmählich reifte der spirituelle, geistige Aspekt des JUDO, das aus dem kriegerischen JU-JITSU hervorging, bis er 40 Jahre später (im 11. Jahr der TAISHO-Ära) zur Perfektion gelangte. In diesem Jahr sprach KANO von zwei grundlegenden Prinzipien, die während der Entwicklung des JUDO herausragten: „SEI RYOKU ZEN YO“  (auch gelesen als „SEIRYOKU ZEN’YO KOKUMIN TAIIKU“) oder „Der beste Gebrauch der (geistigen und körperlichen) Energie (Kraft)“ und „JITA KYOEI“  oder „Gegenseitiges Glück (Wohlstand)“.


58. Welcher Titel wurde in der Gründerzeit den hervorragenden Persönlich­keiten des KODOKAN verliehen?

ANTWORT:

Diverse Unterlagen des KODOKAN, eingesehen von KOMUTA Misasa, u.a.

In der Gründerzeit des JUDO gab es neben der Verleihung des 10. DAN-Grades auch noch die Verleihung des Titels „SHIHAN“. Das entspricht etwa der Promotion zum Doktor. Dieser Titel wurde außer an Prof. Jigorô KANO, dem Begründer des KODOKAN, noch niemanden verliehen. Das System des SHIHANYAKU wurde offenbar vom zweiten Präsidenten des KODOKAN, Jiro NANGO, abgeschafft und besteht heut nicht mehr. Obwohl im Buch „JUDO by the KODOKAN“ kein Hinweis dafür zu finden ist, dass der Titel „SHIHAN“ tatsächlich abgeschafft wurde.

ANMERKUNG:

Bezüglich des Titels „SHIHAN“ muss ähnliches angenommen werden, wie für das Graduierungssystem des KODOKAN. Beide Systeme wurden gleichsam von anderen Schulen und Kampfsportkünsten übernommen. Daher gab und gibt es auch heute noch in einigen JUDO-Schulen in Japan die Verleihung des Titels „SHIHAN“ Es mag daher auch sein, dass die Herren YOKOYAMA und MUNAKA einer der ersten Personen waren, die ebenfalls diesen Titel zugesprochen bekamen, allerdings nicht vom KODOKAN. In dem Magazin „JAPAN heute und morgen“, herausgegeben von der Kultursektion der japanischen Botschaft in Wien, Ausgabe 2/1990 wird in einem Artikel unter der Überschrift „Prof. Franz NIMFÜHR – ein Leben für die waffenlose Kunst der Selbstverteidigung“ erwähnt, dass Prof. NIMFÜHR den Titel eines SHIHAN (Hochmeisters) trägt. Es ist jedoch nicht bekannt von welcher JUDO-Schule Prof. NIMFÜHR diesen Titel zugesprochen erhielt. Einen weiteren Beweis dafür, dass der Titel SHIHAN auch von anderen Schulen übernommen wurde, liefert die folgende Aufstellung der bisherigen Träger des 10. DAN (entnommen dem Sammelband der Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles, den Aufzeichnungen des KODOKAN und dem offiziellen Fachorgan des DJB/DDK, „JUDO-Magazin“, 36. Jahrgang., Heft Nr. 6, Juni 1996, S. 4, und Heft Nr. 7, Juli 1996, S. 4 und IJF-Homepage):

NAME(geb. – gest.)10. Dan abAnmerkung
Yoshiaki YAMASHITA(1865-1935)1935posthum
Hajime ISOGAI(1871-1947)1937gemeinsam mit
Shuichi NAGAOKA(1876-1952)1937
Kyozo MIFUNE(1884-1965)1945
Kunisaburo IIZUKA(1875-1958)1946
Kaichiro SAMURA(1880-1964)1948gemeinsam mit
Shotaro TABATA(1884-1950)1948
Kotaro OKANO(1885-1967)1967
Matsutaro SHORIKI(1885-1969)1969und SHIHAN
Shozo NAKANO(1888-1977)1977
Tamio KURIHARA(1896-1979)1979und SHIHAN
Sumiyuki KOTANI(1903-1991)1984
Charles PALMER(1930-2001)1995von BJA ab 97 IJF
Anton GEESINK(1934-2010)1996von IJF
Ichiro ABE(1923-2022)2006Kodokan, gemeinsam mit
Toshiro DAIGO(1926-2021)2006Kodokan
Yoshimi OSAWA(1926-2022)2006Kodokan
Henri COURTINE(1930-2021)2007von IJF
Jaap NAUWELAERT D’AGE(1917-2016)2008von IJF
George KERR(1938-)2010von IJF
Keiko FUKUDA(1913-2013)2011erste Frau, von USA
Fanco CAPELLETTI(1938-)2017von IJF
Jean-Luc ROUGÉ(1949-)2023von IJF

59. Wann und durch wen wurde erstmals KODOKAN-JUDO in Österreich vorgeführt?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO-Tagebuch“ von Edmund GABRIEL.

Im Zuge seiner Europareise besuchte Prof. Jigorô KANO mit seinen beiden Assistenten Sumiyuki KOTANI (ihm wurde 1984 der 10. DAN verliehen) und Masami TAKASAKI 1933 auch Wien und demonstrierte in der Sportschule von Otto KLIMEK, im „1. Österreichischen JIU-JITSU-Klub“, im 2. Wiener Gemeindebezirk auf der Taborstraße 1, erstmals JUDO in höchster Vollendung. An dieser Demonstration, die auf dem Dach des DOJO, unter freiem Himmel stattfand, nahm auch unser Nestor Herr Edmund GABRIEL (verstorben 1997) teil. Die Firma SELENOPHON hat sogar diese Vorführung mitgefilmt. Prof. Kano demonstrierte auch bei der Wiener Polizei in der Marokkaner-Kaserne seine Methode der Körpererziehung. Wie auch im übrigen Europa begann nun in Österreich eine Umstellung auf das moderne JUDO. Damit verlor das JU-JITSU seine Bedeutung als Kampfsport und wurde fast ausschließlich nur mehr als waffenlose Selbstverteidigung betrieben. Prof. Kano besuchte 1934 abermals Wien und setzte hierbei weitere Impulse für die Entwicklung in Österreich.


60. Wann wurde Ihr Landesverband gegründet?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
Beilage zum Sportfunk vom 25. Mai 1983;
Protokoll der konstituierenden Sitzung des JLV-Vorarlberg vom 20.6.1967.

GründungsjahrLandesverbandAnmerkung
1955Oberösterreich
1957Steiermark
1958Wienmit Niederösterreich und Burgenland
1959Salzburg
1967Vorarlberg
1968Tirol
1969Kärnten
1970Niederösterreichnur noch JLV für Wien und Burgenland
1977Burgenlandnur noch JLV Wien

Es verfügt somit jedes Bundesland über eine Regionalvertretung.


61. Welche österreichischen JUDOKA gewannen bisher Weltmeistertitel?

ANTWORT:

Aufzeichnungen des ÖJV;
JUDO-Magazin Nr. 38/1977.

A) JUNIOREN:

RobertKÖSTENBERGER1976in Madrid in der Klasse bis 95 kg;
PatrickREITER1992in Buenos Aires in der Klasse bis 71 kg;
BernadetteGRAF2011in Kapstadt in der Klasse bis 70 kg.

B) FRAUEN:

EdithHROVAT1980in New York in der Klasse bis 52 kg (1. WM für Frauen);
GerdaWINKLBAUER1980in New York in der Klasse bis 56 kg (1. WM für Frauen);
EdithSIMON1980in New York in der Klasse bis 66 kg (1. WM für Frauen);

C) MÄNNER:

PeterSEISENBACHER1985in Seoul in der Klasse bis 86 kg.

ANMERKUNG:

Bei den Versehrten-Weltmeisterschaften konnte ebenfalls ein Österreicher erfolgreich teilnehmen. Walter HANL gewann 1995 in den USA bei den Sehbehinderten den Weltmeistertitel im Schwergewicht.


62. Welche österreichischen JUDOKA gewannen bisher Europameistertitel in der allgemeinen Klasse?

ANTWORT:

Aufzeichnungen des ÖJV.

A) FRAUEN:

EdithHROVAT
(heute
KLOIBHOFER)
1975 in München (-48 kg);
1976 in Wien (-52kg);
1977 in Arlon (-52kg);
1978 in Köln (-52kg);
1979 in Kerkrade (-52kg);
1981 in Madrid (-52kg);
1982 in Oslo (-52kg);
1984 in Pirmasens (-52kg);
GerdaWINKLBAUER1978 in Köln (-56kg);
1979 in Kerkrade (-56kg);
1980 in Udine (-56kg);
1981 in Madrid (-56kg);
1983 in Genau (-56kg);
HertaREITER1982 in Oslo (-61kg);
EdithSIMON1982 in Oslo (-66kg und Allkategorie);
SabrinaFILZMOSER2008 in Lissabon (-57kg);
2011 in Istanbul (-57kg).

B) MÄNNER:

RobertJAQUEMOND1952 in Paris in der 2. Dan-Klasse;
WalterGAUHS1958 in Barcelona im Mittelgewicht,
RobertKÖSTENBERGER1982 in Rostock (-95kg);
PeterSEISENBACHER1985 in Belgrad (-86kg);
NorbertHAIMBERGER1992 in Paris (-71kg);
PatrickREITER1995 in Birmingham (-78kg);
LudwigPAISCHER2004 in Bukarest (-60kg);
2008 in Lissabon (-60kg).

ANMERKUNG:

Ludwig PAISCHER ist der erste österreichische Judoka, dem es gelang, zweimal Europameister zu werden.

Bei den Versehrten-Europameisterschaften konnte ebenfalls ein Österreicher erfolgreich Teilnehmen. Walter HANL gewann 1993 in Paris, 1995 in Valladolid (Spanien), 1997 in Cità die Castello (Italien) und 1999 in Mittersill (Österreich) bei den Sehbehinderten den Europameistertitel im Schwergewicht.


63. Welche österreichischen JUDOKA gewannen bisher internationale Nachwuchsmeisterschaften?

ANTWORT:

Aufzeichnungen des ÖJV.

KlausWALLASJunioren-EM1972 in Leningrad im Halbschwergewicht;
ErnstSTEINICKEJunioren-EM1974 in Tel Aviv im Weltergewicht;
AlfredREICHLJunioren-EM1974 in Tel Aviv im Halbschwergewicht;
RobertKÖSTENBERGERJunioren-WM1976 in Madrid im Halbschwergewicht;
SusannePROFANTERJunioren-EM1966 in Leonding (-52kg);
1987 in Wrozlaw (-61kg);
AlexandraRINNERTHALERJunioren-EM1991 in Pieksämäki (-52kg);
YvonneHUBERJunioren-EM1991 in Pieksämäki (-61kg);
PatrickREITERJunioren-WM1992 in Buenos Aires (-71kg);
ThomasSCHLEICHERJunioren-EM1992 in Jerusalem (-71kg);
MarielaSPACEKJunioren-EM1992 in Jerusalem (-66kg);
EricKRIEGERJunioren-EM1995 in Valladolid (+95kg);
SabrinaFILZMOSERJunioren-EM1998 in Bukarest (-52kg);
ClaudiaHEILLJunioren-EM1998 in Bukarest (-63kg);
HedwigLECHENAUERJugend-EM2004 in Rotterdam (-70kg);
KathrinUNTERWURZACHEREM U172008 in Sarajevo (-63kg);
BernadetteGRAFEM U202011 in Lommel (-70kg);
DanielALLERSTORFEREM U202011 in Lommel (+100kg);
BernadetteGRAFWM U202011 in Kapstadt (-70kg);
KathrinUNTERWURZACHEREM U232011 in Tyumen (-63kg);
2013 in Samokov (-63kg);
AaronFARAEM U212016 in Malaga (-100kg);
MichaelaPOLLERESEM U232018 in Györ (-70kg).

64. Wann und welche Platzierungen erzielten österreichische JUDOKA bei Olympischen Spielen?

ANTWORT:

Aufzeichnungen des ÖJV.

1964 TokyoGerhardZOTTER6. Platz im Leichtgewicht;
1972 MünchenLutzLISCHKA5. Platz im Mittelgewicht;
1976 MontrealErichPOINTNER5. Platz im Halbleichtgewicht;
1984 Los AngelesPeterSEISENBACHER1. Platz bis 86 kg;
JosefREITER3. Platz bis 65 kg;
1988 SeoulPeterSEISENBACHER1. Platz bis 86 kg;
RoswithaHARTL3. Platz bis 66 kg (Vorführbewerb);
2004 AthenClaudiaHEILL2. Platz bis 63 kg;
2008 PekingLudwigPAISCHER2. Platz bis 60 kg;
ClaudiaHEILL5. Platz bis 63 kg;
2012 LondonSabrinaFILZMOSER7. Platz bis 57 kg;
2016 Rio de JaneiroBernadetteGRAF5. Platz bis 70 kg;
KathrinUNTERWURZACHER7. Platz bis 63 kg;
2021 TokyoMichaelaPOLLERES2. Platz bis 70 kg;
ShamilBORCHASHVILI3. Platz bis 81 kg,
2024 ParisMichaelaPOLLERES3. Platz bis 70 kg;
LubjanaPIOVESANA5. Platz bis 63 kg.

ANMERKUNG:

Peter SEISENBACHER gelang es als erstem Judoka der Welt, zweimal hintereinander bei Olympischen Spielen die Goldmedaille zu gewinnen. Einen Tag später gelang dies auch Hitoshi SAITO in der Klasse bis 95 kg. 1988 wurde die allgemeine Klasse Frauen als Vorführbewerb ausgetragen.

Michaela POLLERES konnte als erste und bisher einzige weibliche Judoka Österreichs zweimal eine Medaille bei Olympische Spiele (2021, 2024) erringen.

Bei den Paralympischen Spielen holte Walter HANL bei den Sehbehinderten 1996 in Atlanta (USA) in der Klasse über 95 kg und 2000 in Sydney (AUS) in der Klasse bis 100 kg jeweils die Goldmedaille und damit den Olympiasieg für Österreich.


65. Welche Kenntnisse sind notwendig zur Entwicklung eines waffenlosen Selbstverteidigungssystems?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Die Entwicklung eines waffenlosen Selbstverteidigungssystems setzt eine genaue Kenntnis des menschlichen Körpers voraus. Beachtet man, dass zu dieser Zeit in China bereits die hoch entwickelte Kunst der Akupunktur angewandt wurde, scheint es nahe liegend, dass gerade ein Arzt, der die damit verbundene genaue Kenntnis der menschlichen Nerven- und Steuerungszentren ausnützt, um eine waffenlose Selbstverteidigung zu schaffen.

Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass bei Verfolgung der Entwicklung derartiger Kampfkünste immer wieder Spuren nach China, ja sogar nach Indien führen, da gerade in diesen Ländern die medizinische Wissenschaft auf einem hohen Niveau stand.


66. Welche Rolle spielte Prof. BÄLZ für das JU-JITSU?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO-Fachwort-Lexikon“.

Der geheime Hofrat Dr. Erwin Otto Eduard von BÄLZ (1849—1913) stand in der Zeit von 1876 bis 1902 der medizinischen Fakultät der Universität TOKYO als Professor vor. Als Europäer seiner Zeit stand er dem Gedanken der Leibeserziehung positiv gegenüber. Er versuchte daher auch einen Turnplatz oder eine Turnhalle für die Studenten an der Kaiserlichen Universität zu erhalten. Da seine Bestrebungen, den Studenten Sportmöglichkeiten zu verschaffen, vorerst nicht zum Ziel führten, bediente er sich drastischer Mittel. Da er dem japanischen Schwertfechten (KENDO, KEN-JUTSU) sehr zugeneigt war, seine Vorschläge zur Einführung des Fechtens aber mit der Begründung es wäre zu roh und zu gefährlich abgelehnt wurden, beschloss er das Gegenteil zu beweisen. Zu diesem Zweck nahm er Fechtunterricht bei einem der besten Fechtlehrer dieser Zeit, was ihm auch den entsprechenden publizistischen Erfolg brachte.

Obwohl die Bemühungen von Dr. Erwin BÄLZ um die Einführung des Schwertfechtens an der Universität kein Erfolg beschieden war, gab er nicht auf. Während eines Gespräches mit dem Gouverneur der Provinzhauptstadt TSHIBA erfuhr er, dass eine für die studierende Jugend bestens geeignete Sportart, das JU-JITSU, in Vergessenheit zu geraten droht, denn es werde nur noch in seiner Stadt gepflegt. Ein alter Lehrer namens Kosuko TOTSUKA unterrichtet seine Polizisten in JU-JITSU, die ganz Erstaunliches leisten und bei der Verhaftung von Verbrechern den größten Nutzen davon haben. Am nächsten Tag führte der über 70 Jahre alte Kosuko TOTSUKA Prof. BÄLZ zuerst in die Prinzipien des JU-JITSU ein, um dann die Griffe einzeln zu demonstrieren. Da alle in den anschließenden Wettkämpfen angewandten Griffe, Bewegungen und Würfe ohne den geringsten Schaden für die Betroffenen durchgeführt wurden, erschien es Prof. BÄLZ als die ideale landeseigene Gymnastik für seine Studenten.


67. Wer unterstützte Prof. BÄLZ bei der Einführung des JU-JITSU an der Universität TOKYO?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO-Fachwort-Lexikon“.

Durch seinen Einsatz, JU-JITSU als Mittel der gymnastischen Körperertüchtigung für Studenten in den Universitätsbetrieb aufzunehmen, ließen sich einige seiner Schüler dazu anregen, Aktivitäten in dieser Richtung zu entwickeln. Einer dieser Studenten war Jigorô KANO. Dank der Unterstützung durch KANO und seiner Kommilitonen gab die Universitätsleitung dem Drängen von Prof. BÄLZ nach und gestattete endlich eine JU-JITSU-Demonstration an der Universität.

Die am nächsten Tag stattfindende Vorführung von Meister TOTSUKA und dessen Schüler SATO hinterließ nicht nur bei allen Anwesenden, sondern im besonderen Maße bei KANO eine gewaltige und nachhaltige Wirkung.


68. Welche Ehrung erfuhr Prof. Jigorô KANO bei seinem Eintritt in den Ruhestand?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„KODOKAN JUDO“.

Als Prof. Jigorô KANO in den Ruhestand trat, wurde er durch ein kaiserliches Dekret in Anerkennung seiner Verdienste, die er sich in seinem steten Bemühen um die Erziehung, besonders der Jugend seines Vaterlandes, erworben hatte, im Jahre 1922 zum Mitglied des japanischen Herrenhauses (House of Peers – heute Oberhaus) ernannt.


69. In welcher Form wurde JUDO nach Gründung des KODOKAN-DOJO weiterentwickelt?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO by the KODOKAN“;
„JAPAN-MAGAZIN“ – August 1990

Im Jahr seiner Gründung umfasste der KODOKAN neun Mitglieder. Der erste Schüler war Tsunejiro TOMITA, der am 5. Juni 1882 in KANO’s Schule eintrat. Als nächste Mitglieder wurden Seiko HIGUCHI, T. NAKAJIMA, M. MATSUOKA und wenige Tage später Junshin ARIMA aufgenommen. Im August trat Shiro SAIGO ein, gefolgt von G. AMANO, K. KAI und Sakujiro YOKOYAMA.

Sie alle lebten und schliefen in den unbenutzten Räumen des EISHO-JI, gemeinsam mit Jigorô KANO. Das gemeinsame Leben finanzierte KANO durch seine Einkünfte als Lektor an der Adelsschule. In dieser Zeit bildete sich, der Notwendigkeit gehorchend, ein Brauch, der sich bis in unsere Zeit an den japanischen DOJO erhalten hat. Es war der ehrenhafte Brauch, der von jeder Gruppe verlangt, dass die Abteilung, in der sie untergebracht ist, stets in peinlicher Ordnung gehalten werden muss.

Diese freiwillig gewählte Form des Zusammenlebens brachte zahlreiche Vorteile mit sich. Da sie alle, der Lehrer KANO und seine Schüler, unter einem Dach wohnten, war es nur natürlich, dass sie alle stets nach jedem Training beisammensaßen und das Praktizierte zu analysieren versuchten.

Obwohl die Trainingsbedingungen alles andere als ideal waren, übten sie alle mit großem Eifer und diskutierten stundenlang den Übungsstoff. So erschien zu Beginn jeder Trainingsstunde der Hohepriester des Tempels, Shunpo ASAHI, und beklagte sich darüber, dass jedes Mal, wenn jemand geworfen wurde, die Ahnentafeln auf dem Altar hochhüpften. Deshalb soll noch im gleichen Jahr an anderer Stelle des Tempelgeländes ein neues, aber ebenfalls mit 12 TATAMI großes DOJO errichtet worden sein.

Es war ein langsam wachsender Prozess, in dem es gelang, das JUDO von KANO systematisch zu verbessern. Die umfassende Beziehung des JUDO zum alltäglichen Leben wurde dadurch hergestellt, dass nicht nur technische Belange, sondern auch ihre Beziehung zur Umwelt und der Einfluss der Tagesroutine auf den Sportbetrieb beachtet wurden.


70. Die Ausrichtung des JUDO zum Sport wurde durch welche Forderung hervorgerufen?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Das zu dieser Zeit (Gründerzeit) im Vordergrund stehende Prinzip war: „Die Gefährdung der Übenden muss so gering wie nur irgend möglich gehalten werden.“  Daraus leitete KANO folgende Übungsregel ab:

„Der Gegner ist auf den Rücken zu werfen und Hebelgriffe dürfen nicht bis zur Verletzung des Gelenkes durchgezogen werden.“

Um einer Verletzungsgefahr bei der Durchführung von Hebelgriffen zu begegnen, wurde die Möglichkeit geschaffen, dass sich die beiden Übungspartner über die Wirkung einer Hebeltechnik verständigen können. So konnte der gehebelte Partner die Wirkung der Technik dadurch anzeigen, dass er sich geschlagen gab, wofür als Ausdrucksmittel das zweimalige Abklopfen am Gegner eingeführt wurde.

ANMERKUNG:

Als ausgebildeter Pädagoge wusste KANO natürlich, dass für eine Sportart eine gewisse Sicherheit erforderlich ist. Diese wurde mit den oben definierten Prinzipien und dem Ausscheiden der gefährlichsten Techniken realisiert. Für die Ausrichtung des JUDO zu einem Sport waren daher, neben einem besseren System, klare Prinzipien und Ideale notwendig. Außerdem verfolgte er das Ziel, JUDO als Olympische Disziplin zu nominieren. Dazu waren klare Richtlinien und die Sicherheit der Sporttreibenden erforderlich. Weiters verfolgte er weiterhin die von Dr. BÄLZ eingeschlagene Richtung, einer landeseigenen Gymnastikform für die japanische Jugend zu schaffen und zu publizieren.


71. Wann erfolgte die Aufnahme des ÖJV in das Österreichische Olympische Comité?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

1962 wurde der Österreichische JUDO-Verband als Mitglied des „Österreichischen Olympischen Comité“ (ÖOC) aufgenommen.


72. Aus welcher Zeit gibt es in Europa Darstellungen von JUDO-ähnlichen Techniken?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„Jüngere Edda“;
„Chronik alter Kampfkünste“;
Dr. Martin VOGT, „Alte und neue Raufkunst“, Dresden, 1925.

Die älteste nachweisbare waffenlose Kampfart im europäischen Raum muss eine Art des Ringens gewesen sein. Bereits in einem Werk des isländischen Gelehrten Snorri STURLUSON, das im Jahre 1220 n.Chr. niedergeschrieben wurde, die „Jüngeren Edda“, wird von einer altgermanische Ringkampfform berichtet.

Weitere Beweise für die Existenz waffenloser Kampfsysteme mit Darstellungen von JUDO-ähnlichen Techniken sind Werke aus dem 15. bis ins frühe 18. Jh.:

  1. Unter der Bezeichnung „MAISTER HANSEN THALHOFFERS FECHTBÜCHER“ erschienen in den Jahren 1443, 1459 und 1467 drei Bände mit der Darstellung eines solchen Kampfsystems. Das erste Buch trägt den Untertitel „Gerichtliche und andere Zweikämpfe darstellende, Meister Ott’s Ringkunst“, enthalten im sogenannten GOTHAER CODEX, wieder aufgelegt 1889 in Prag.
  2. Unter dem Titel „DIE RINGKUNST DES DEUTSCHEN MITTELALTERS“ wurde 1870 von Karl WAßMANNSDORFF in Leipzig ein umfassendes Werk herausgegeben, in dem „die selbständigen Ring-Anweisungen, die bisher in den Fechthandschriften ruhten“, gesammelt wurden. Die umfangreichste von ihnen ist die Ringanweisung der Handschrift zu Wallenstein (CODEX WALLENSTEIN) aus dem Jahre 1470, zu der kein Geringerer als Albrecht DÜRER die Zeichnungen angefertigt haben soll.
  3. Eine nur mit Bildern versehene Handschrift stammt aus dem Jahre 1462 und nennt sich „DAS FECHTBUCH DES MAISTER PAULS KAL“. Die Bilder sind in Farbe und mit großer Sorgfalt hergestellt.
  4. Im Jahr 1537 gestaltete Fabian von AUERSWALD ein „FECHT- und RINGBUCH“ (Originaltitel: „Ringerkunst“). Es wurde im Jahre 1539 zu Wittemberg gedruckt. Von den dargestellten Ringerpaaren ist immer der Ältere der Verfasser selbst. Die Bilder sind vorzüglich und Holzschnitten von oder nach Lucas CRANACH dem Jüngeren nachgebildet.
  5. Ohne Jahreszahl und Verfasser wurde zu dieser Zeit in Frankfurt am Main von Christian EGENOLPH ein Werk mit dem Titel „DER ALTENN FECHTER AN FENGLICHE KUNST“ herausgegeben. Dieses Werk wurde 1558 unter dem Titel „FECHTBUCH“ neu aufgelegt. Es beschreibt auch einfache Ringstücke „mit wehrlosen (= waffenlosen) henden“ und die von „Herrn Hansen LEBKOMMERS von Nürnberg ursprüngliche Kunst des Messerstechens“.
  6. Aus dem Jahre 1567 ist uns ein Werk in lateinischer Sprache mit dem Titel „Pauli Hectoris Mair civis Augustani de arte athletica“ überliefert. Es soll in diesem Jahre vom Augsburger Ratsdiener Hektor MAYR um 800 Gulden der herzoglichen Bibliothek zu München überlassen worden sein.
  7. Bemerkenswert ist auch das aus dem Jahre 1666 stammende „Johann Georg Paschens vollständiges Fecht-, Ringe- und Voltigierbuch“. Der Autor schreibt sich eigentlich Pascha, Paschen ist die Beugeform. Es enthält 125 Kupferstiche, die in vorbildhafter Weise die Kunstgriffe erklären.
  8. In Holland (Amsterdam) erschien im Jahr 1674 ein Buch mit dem Titel „KLARE ONDERRICHTINGE DER VOORTREFFELIJCKE WORSTEL-KONST“; mit dem Untertitel „wie man sich bei allen Streitfällen in einem Handgemenge verteidigen und alle Angriffe (Bruststöße, Faustschläge usw.) abwehren kann“ von Worstelaer (Ringmeister) Nicolaes PETTER. Die Abbildungen in diesem Buch sind den Kupferstichen von Romeyn de HOOGHE nachempfunden.
  9. Im Jahre 1713 gab „der Freyen Stadt Nürnberg bestellter Fecht- und Exercitienmeister“ Johann Andreas SCHMIDT seine „GRÜNDLICH LEHRENDE FECHTSCHULE“ heraus. Im „sechsten Teil“ beschäftigt sich dieser Meister ausschließlich mit dem Ringen, das er für die edle Kunst des Fechtens „sehr nötig“ hält.

73. Welche JUDO-ähnlichen Techniken werden häufig von Künstlern des 17. Jahrhunderts abgebildet?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Es ist interessant festzustellen, dass in all diesen angeführten Aufzeichnungen zwei Techniken immer wiederkehren: dem KATA-GURUMA und dem TOMOE-NAGE artverwandte Techniken. Besonders wichtig erscheint dabei die immer wiederkehrende, dem TOMOE-NAGE ähnliche Technik, denn gerade sie beweist, dass die in Europa bodenständigen Zweikampfsysteme nicht alle auf dem Prinzip der maximalen Kraftentfaltung aufgebaut waren.


74. Aus welcher Zeit stammen die ersten schriftlichen Unterlagen über Zweikämpfe ohne Waffen in Europa?

Siehe dazu die Ausführungen zu Frage 72.


75. Wann begann Jigorô KANO sein Studium des JUDO und wann hatte er die wichtigsten Punkte zusammengefasst?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO by the KODOKAN“;
„KODOKAN JUDO“;
„JAPAN-MAGAZIN“ – August 1990

Bedingt durch seinen etwas schwächlichen Körper, konnte er sich bei Auseinandersetzungen im Burschenalter gegen größere und kräftigere Kameraden nie recht durchsetzen, was seinen Stolz verletzte. Nachdem er schon früher aber von JU-JITSU gehört hatte, einer in Misskredit geratenen Fertigkeit, suchte er nach brauchbaren Lehrern, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Für den damals 16jährigen Burschen hieß es aber noch zwei Jahre suchen, bis er in Teinosuke YAGI den richtigen Lehrer fand, der ihm die Grundlagen des JU-JITSU beibrachte.

Sein umfangreiches Basiswissen erwarb er sich aber erst später, als er zuerst von Hachinosuke FUKUDA (KONEN) und Masatomo ISO von der TENJIN-SHINYO-RYU, danach von Tsunetoshi IIKUBO von der KITO-RYU in die Geheimnisse ihrer Schulen eingeweiht wurde.

Jigorô KANO begann also seine Auseinandersetzung mit JU-JITSU im Alter von 16 Jahren, wobei er etwa sechs Jahre dazu benötigte, sich mit der Materie vertraut zu machen. Diese Zeit betrachtete er als die „Kindheit des JUDO“. Nachdem es ihm gelungen war, die einheitlichen Grundsätze der verschiedenen Schulen zu erfassen, versuchte er die ihm wichtig erscheinenden Punkte zusammengefasst in einer „Schule des JUDO“ weiterzuverbreiten.

Als erster Übungsraum für die „Schule des JUDO“ diente der EISHO-JI, ein Tempel im Stadtteil SHITAYA-KITA-INARI-CHO, im Bezirk TAITO-KU von TOKYO. Im Februar des Jahres 1882 (nach anderen Unterlagen bereits 1881) begann Jigorô KANO den größten der vier Tempelräume für seine Trainingszwecke herzurichten. Das so geschaffene DOJO war mit seinen 12 Matten noch recht bescheiden. Auf seiner Pforte standen aber bereits die drei kleinen Zeichen, die JUDO-Geschichte machen sollte: KO-DO-KAN (Die Halle für das Studium des Weges).

ANMERKUNG:

Im Buch „JUDO by the KODOKAN“ von Nunoi SHOBO, erschienen 1961 und herausgegeben vom KODOKAN wird im „Lebenslauf von Jigorô KANO“ das Jahr 1877 angeführt, in dem er mit dem Studium des JU-JITSU in der TENJIN-SHINYO-RYU und das Jahr 1881, in dem er mit dem Studium in der KITO-RYU begann, angeführt (diese Daten werden auch im „JAPAN-MAGAZIN“, Ausgabe August 1990, bestätigt). In der japanischen Alterszählung, die einem Kind bei der Geburt bereits das Lebensalter von einem Jahr zuerkennt, war er also 18 bzw. 22 Jahre alt. In unserer Altersrechnung entspricht das dem Alter von 17 bzw. 21 Jahren.


76. Welches Ereignis verhalf dem KODOKAN-JUDO zum Durchbruch?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
„JUDO by the KODOKAN“.

Bedingt durch seine Tätigkeit als Lehrer und dem damit verbundenen Umgang mit jungen Menschen, brachte KANO immer mehr Schüler, sodass sein DOJO bald zu klein wurde. Ab 1883 verlegte und vergrößerte KANO mehrfach sein DOJO. Da sein System immer besser wurde und sich schon sehr einer idealen Form genähert hatte, begann sein JUDO immer bekannter zu werden.

Es war daher eine logische Folge, dass die Anhänger des JUDO die Klarheit der Prinzipien und Ideale hervorhoben, die alten JU-JITSU-Meister der neuen Bewegung jedoch reserviert gegenüberstanden. KANO wurde vorgeworfen, dass der Nutzen seines JUDO in einem echten Kampf sehr zweifelhaft sei. Um sich selbst und sein DOJO zu rechtfertigen, musste sich KANO zum Kampf stellen. Vier Jahre nach der Gründung seines DOJO waren KANO und seine Schüler dann soweit, den Vergleichskampf zu wagen.

Die Entwicklung des JUDO war im Jahre 1886 in eine entscheidende Phase getreten. Jetzt mußmusste sich entscheiden, ob JUDO den bisher geübten JU-JITSU-Systemen überlegen war, denn unter Leitung der Stadtpolizei sollte ein Wettkampf zwischen einer Mannschaft des KODOKAN und einer Staffel der Polizei von TSHIBA unter deren Ausbildner Kosuko TOTSUKA stattfinden, die das JU-JITSU vertrat.

Jigorô KANO war sich vollkommen klar darüber, welche Auswirkungen das für die Bedeutung des JUDO haben konnte, falls die KODOKAN-Mannschaft im Wettkampf unterlag. Aus diesem Grunde traf er seine Vorbereitungen äußerst gewissenhaft. So kam es dann auch, dass nach einem fanatisch geführten Kampf die Mannschaft des KODOKAN einen überlegenen Sieg feierte.

Von 15 Kämpfen gelang es 13 siegreich zu beenden, nur zwei Polizisten konnten ein Unentschieden erreichen. Damit war dem KODOKAN-JUDO ein gewaltiger Popularitätserfolg beschieden.

ANMERKUNG:

Im Buch „JUDO by the KODOKAN“ von Nunoi SHOBO wird erwähnt, dass es ständig zwischen dem KODOKAN und den alten JU-JITSU-Schulen Auseinandersetzungen gab. Der zitierte Vergleichskampf wird zwar nicht in diesem Buch angeführt, jedoch wird erwähnt, dass die Kämpfe gegen die JU-JITSU-Schulen im Jahr 1888 siegreich beendet wurden, nachdem diese bereits die letzten zwei Jahre andauerten. Eine entscheidende Rolle haben Shiro SAIGO und Sakujiro YOKOYAMA gespielt. Das junge Genie SAIGO dominierte mit seinem YAMA-ARASHI und auch YOKOYAMA zeichnete sich mit spektakulären Kämpfen aus.

Aber auch Yoshiaki YAMASHITA (1866 – 1935) spielte in diesem Vergleichskampf eine wesentliche Rolle. Seine Spezialtechnik war SASAE-TSURI-KOMI-ASHI, die er erfolgreich gegen große Meister der alten JU-JITSU-Schulen anwendete. Dies bestätigt auch Jigorô KANO in seinem Buch „JUDO KYOHON“. YAMASHITA wurde 1935, nach seinem Ableben, vom KODOKAN als erstem JUDOKA der 10. DAN verliehen (aus „JUDO, 40 GOKYO-Kampftechniken“ von Mahito OHGO).


77. Wann und durch wen wurde JU-JITSU erstmals in Österreich ausgeübt?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“;
Mag. Helmut STEIN, „JUDO, soziologische Analyse einer Sportart und seiner Aktiven…“ (April 1995);
„Arbeiter Zeitung“, Nr. 62, vom 4. März 1906;
„Deutsche Volksblatt“, Nr. 6167, vom 5. März 1906; „Reichspost“ Nr. 51, vom 4. März 1906.

Der erste namentlich feststellbare Vertreter in Österreich war der um die Jahrhundertwende populäre Ringer Hans Köck (1871 – 1908). Er hielt sich um 1900 in England auf, wo zu diesem Zeitpunkt die bekannten Kodokan-Jünger Yukio Tani (ab 1899) und Sadukasu Ueynishi (ab 1900) lehrten. Von England wieder in seine Heimat zurückgekehrt führte er Ju-Jitsu, oder Jiu-do wie es damals auch bezeichnet wurde, beim Wiener Athletiksport-Club (WAC) ein. Im Jahre 1905 kehrte er nach einem weiteren Aufenthalt in England nach Österreich zurück und begann Ju-Jitsu in Österreich zu verbreiten. Er führte sogar eine Demonstration dieser Kunst bei der Wiener Polizei vor. Einer seiner Schüler und Assistenten war der ebenfalls bekannt Ringer Henry Baur (1872 – 1932, auch als Henri BAUER, Karl BAUER oder E. BAUER bezeichnet). Am 4. März 1906 wurde der heimischen Bevölkerung in Wien im Orpheum-Theater erstmals Ju-Jitsu (Judo) vorgeführt. Baur übernahm nach dem frühen und unerwarteten Tod von Köck die Sektion Schwerathletik beim WAC und führte bis 1926 auch das Ju-Jitsu weiter. Bekannte Schüler von Henry Baur waren der Polizei-Revierinspektor Josef Diwischek, Otto PÜRTNER und Leopold Wunsch. DIWISCHEK lehrte Ju-Jitsu bei der Wiener Sicherheitswache. Sein populärster Schüler war Prof. Franz RAUTEK, der auch durch seine Griffe in der Ersten Hilfe bekannt wurde. Auch in Oberösterreich gab es Lebenszeichen des JU-JITSU. Hier war es ein gewisser Herr RUMANOB oder SUMAKOW, der bereits 1912 bei der Sicherheitswache in Linz „DZIU-DZIDSCHU“ unterrichtete (STEIN, 1995). Der Erste Weltkrieg unterbrach jedoch die vielversprechende Arbeit dieser ersten Pioniere.


78. Wann welche Personen waren nach dem 1. Weltkrieg die Gründer der JU-JITSU- und JUDO-Bewegung in Österreich?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

1920, nach Beendigung des Ersten Weltkrieges, fand JIU(JU)-JITSU eine größere Verbreitung. Besonders Franz SAGER (Künstlername Europäischer Meister Willy CURLY, 1891 – 1933), Heinz KOWALSKI und Otto PÜRTNER befassten sich lernend und lehrend mit dieser Sportart. Durch jahrelange Arbeit in Privatschulen gelang es ihnen, diese Sportart der Öffentlichkeit vorzustellen. Im gleichen Jahre wurde JIU-JITSU in das Ausbildungsprogramm der Exekutive aufgenommen. Josef DIWISCHEK leitete die JIU-JITSU-Ausbildung bei der Wiener Polizei und Franz RAUTEK (auch bekannt durch seinen Griff in der Ersten Hilfe) begann mit dem JIU-JITSU-Unterricht bei der Justizwache.

Im Jahre 1924 wurde bei dem Sportverein „Wiener Verkehrsbetriebe“ die erste Sektion JU-JITSU durch Leopold WUNSCH gegründet.

Der Enthusiasmus der Sporttreibenden in diesem Anfangsstadium läßt sich am besten durch folgendes illustrieren: Zur Popularisierung des JU-JITSU wurden Propagandavorführungen auf Straßen und Plätzen durchgeführt, wobei die Demonstration auf Decken abgehalten wurde, die einfach auf den Pflastersteinen ausgebreitet worden waren.

Den offiziellen Einzug in das Sportgeschehen Österreichs feierte unser Sport am 28. Oktober 1929, als die konstituierende Sitzung von Vorstand und technischem Ausschuss des JUDO- und JIU-JITSU VERBANDES stattfand.

ANMERKUNG:

Willy CURLY veröffentlichte, gemeinsam mit Ernst FISCHER, auch eines der ersten Handbücher mit dem Titel „JIU-JITSU“, erschienen im Kultur- und Sportverlag Hamburg.


79. Wann nahmen österreichische JUDOKA erstmals an internationalen Titelkämpfen teil?

ANTWORT:

Skriptum des ÖJV – „JUDO-Geschichte“.

Am 29. Oktober 1949 kam es zur offiziellen Gründung der heutigen EJU und 1952 wurde durch den Sieg von Robert JAQUEMOND (1929–1997) in der „2. DAN-Klasse“ und seinem 2. Platz in der individuellen Klasse die Teilnahme an der Europameisterschaft in PARIS zu einem sportlichen Höhepunkt des Verbandes, zumal dadurch die österreichische Mannschaft den 2. Gesamtrang erreichte.

Die Europameisterschaft 1952 war demnach der erste internationale Titelkampf, abgesehen von Länderkämpfen und Städteturnieren, an dem sich Österreich beteiligte.


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